DIE GESCHICHTE DER GRONINGER KORNKAMMER

Kommen Sie, wir nehmen Sie mit auf eine kleine Reise in die Vergangenheit. In eine Zeit, als Gutsherren die Geschicke im Oldambt lenkten, als der Arbeitstag lang und das Korn wertvoll wie Gold war. Zurück ins späte 19. Jahrhundert: Getreidefelder so weit das Auge blickt, Gehöfte wie Schlösser auf fruchtbarem Marschland, dahinter riesige Kornscheunen. Reich waren sie, die Großbauern, denn mit Getreide ließ sich gutes Geld verdienen. Mit abhängiger Landarbeit hingegen kaum. Die Kluft zwischen Arm und Reich wuchs mit dem landwirtschaftlichen Erfolg im „Getreideparadies“, der Kornkammer Europas.​

''KORN WIE GOLD"

Aufständisches Oldambt

Die Bezeichnung „Getreideparadies“ stammt aus dem gleichnamigen Buch von Frank Westerman, in dem er den immensen Reichtum jener Zeit beschreibt. Das wogende Korn brachte Wohlstand in die Region, was die Großbauern freute und die Landarbeiter verbitterte: fruchtbarer Boden für die Idee des Kommunismus. Die Arbeiterschaft erhob ihre Stimme, sozialistische Anführer wie Domela Nieuwenhuis wurden um die vorletzte Jahrhundertwende zu lokalen Helden im Oldambt. Über hundert Jahre später wirkt die kommunistische Vergangenheit immer noch präsent. Im Oldambter Gemeinderat ist die Verenigde Communistische Partij nach wie vor mit drei Sitzen vertreten, und auch die kommunistisch angehauchten Motive auf den Schnapsflaschen aus der Groninger Genever Stokerij sind kein Zufall.

''FRUCHTBARER BODEN FÜR DEN KOMMUNISMUS''

Lokal, national und international

Der florierende Getreideanbau muss für die Zukunft erhalten werden, meinte Sicco Mansholt in den Fünfziger- bis Siebzigerjahren. Der Politiker aus dem Oldambt gilt als der Pate der europäischen Landwirtschaftspolitik und setzte sich in den Niederlanden und Europa dafür ein, die Getreidewirtschaft der Region zu stützen und zu stärken. Dank ihm konnten die Getreidebauern ihre Betriebe vergrößern und gute Preise erzielen. Kein Wunder, dass er mit einem Standbild geehrt wurde und noch heute als lokaler Held bewundert wird.

Innovatives Volk

Die Menschen im Oldambt waren von jeher innovativ und nutzten vom Getreide nicht nur das Korn. Stroh war ein wertvolles Nebenprodukt und wurde nicht einfach weggeworfen, sondern in der riesigen Strohkartonfabrik De Toekomst zu Strohpappe verarbeitet. Das aus dem charakteristischen roten Groninger Backstein errichtete Fabriksgebäude musste jedoch in den Siebzigerjahren seine Pforten schließen: Zu groß war die Konkurrenz aus dem Ausland, zu gering der Gewinn. Dennoch ist die Fabrik heute wieder in Betrieb – nunmehr allerdings als angesagte Event-Location, in der u. a. das Musikfestival Grasnapolsky stattfindet. Ein weiterer Beweis für die Innovationskraft der Region.

Blick in die Zukunft

Die reiche Geschichte der Kornkammer hat sich also erfolgreich in die Gegenwart gerettet. Schauen Sie sich hier ruhig mal um: Die Landschaft ist geprägt von stattlichen Gutshöfen, nach wie vor erstrecken sich Getreidefelder bis zum Horizont, und die Region brummt vor Unternehmergeist. Im alten Lokschuppen wird heute mit neuen und alten Anwendungen von Groninger Getreide experimentiert, zum Beispiel mit der Verarbeitung zu Brot, Bier und Schnaps. Hier entsteht eine neue Nahrungskette im Einklang mit der Natur. Das goldgelbe Korn ist eben ein beständiger Wert und bietet immer wieder Chancen – damals wie heute.

ALSO ENTDECKEN